Der Ungehinderte Mord

Der Ungehinderte Mord
Der ungehinderte Mord
Vor 45 Jahren wurden ein Rabbiner und seine Lebensgefährtin ermordet. Welche Rolle spielten der Verfassungsschutz und die palästinensische PLO?
- Dezember 2025, 23:12 Uhr
Vor 45 Jahren wurden ein Rabbiner und seine Partnerin in ihrer Erlanger Wohnung erschossen. Shlomo Lewin, ein entschiedener Kritiker neonazistischer Gruppen, und Frida Poeschke fielen einem bis heute ungeklärten Verbrechen zum Opfer. Neu veröffentlichte Geheimdienstakten deuten nun auf verpasste Chancen hin, den Mord zu verhindern – und auf mögliche Verbindungen zu einem größeren Netzwerk extremistischer Gewalt.
Die Morde ereigneten sich nur wenige Tage vor dem tödlichsten terroristischen Anschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte: dem Oktoberfest-Attentat von 1980, verübt von einem Rechtsextremen.
Rabbiner Shlomo Lewin hatte sich öffentlich gegen Karl-Heinz Hoffmann gestellt, den Anführer der verbotenen Neonazi-Gruppe Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG). Er hatte gegen Hoffmanns Auschwitz-Kongress protestiert und wurde später in der Gruppenzeitschrift verhöhnt. Am 19. Dezember 1979 wurden Lewin und seine Partnerin Frida Poeschke tot in ihrer Wohnung aufgefunden – beide mit Schüssen in den Kopf.
Die Polizei konzentrierte sich zunächst auf das Privatleben des Paares statt auf rechtsextreme Verdächtige. Schlüsselfiguren wie Hoffmann und seine Partnerin Franziska Birkmann wurden nicht zeitnah vernommen. Ein geheimgehaltener Geheimdienstbericht enthüllte später, dass ein Informant Hoffmann, Birkmann und einen weiteren Komplizen nur sechs Tage vor den Morden mit Metallrohren gesehen hatte – mögliche Waffenbauteile. An der Tatstelle fanden Ermittler zudem Reste eines selbstgebastelten Schalldämpfers und eine auffällige Sonnenbrille. Hoffmann unterhielt bekannte Verbindungen zu militanten Gruppen im Ausland. Der deutsche Verfassungsschutz überwachte seine Aktivitäten, darunter Waffen- und Ausbildungshilfe durch die palästinensische Fatah-Fraktion im Libanon. Dennoch wurden diese Erkenntnisse weder mit den Erlanger Morden noch mit einem bevorstehenden Anschlag in Verbindung gebracht.
Nur Tage nach den Morden verübte Gundolf Köhler, ein WSG-Sympathisant, am 26. September 1980 das Oktoberfest-Attentat in München. Die Explosion forderte 13 Todesopfer und verletzte über 200 Menschen. Köhler starb bei dem Anschlag, womit mögliche Aussagen für immer verstummten. Hoffmann hingegen bereitete zu diesem Zeitpunkt seine Rückkehr in den Libanon vor.
1986 mussten sich Hoffmann und Birkmann zwar wegen der Erlanger Morde vor Gericht verantworten, wurden jedoch freigesprochen. Der angebliche Einzeltäter war bereits tot – niemand konnte Hoffmanns Darstellung widersprechen. Der Verfassungsschutz hatte zwar Beweismaterial an die Staatsanwaltschaft weitergegeben und die WSG überwacht, sogar ein Verbot der Gruppe im Jahr 1980 durchgesetzt. Doch die Hinweise auf Hoffmanns Auslandsverbindungen und die Sichtungen der Metallrohre wurden nie konsequent verfolgt.
Aktivisten, darunter die Initiative Erlanger Kritik an der Erinnerungskultur, fordern bis heute Aufklärung. Sie argumentieren, dass systematische Versäumnisse rechtsextreme Gewalt über Jahrzehnte hinweg begünstigt haben.
Die Erlanger Morde und das Oktoberfest-Attentat bleiben durch offene Fragen miteinander verknüpft. Geheimdienstakten belegen, dass die Behörden frühzeitig über Hoffmanns Aktivitäten informiert waren, jedoch nicht rechtzeitig handelten. Ohne weitere Ermittlungen oder neue Beweise könnte das volle Ausmaß des Netzwerks hinter diesen Verbrechen niemals ans Licht kommen. Doch die Aktivisten geben nicht auf – sie kämpfen für Transparenz und dafür, dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten.

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