Stalins gescheiterte Inszenierung: Wie Nürnberg zum unkontrollierbaren Prozess wurde

Admin User
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Ein historisches Schild mit Symbolen und Text in der Mitte des Bildes.

Stalins gescheiterte Inszenierung: Wie Nürnberg zum unkontrollierbaren Prozess wurde

1945 trieb die Sowjetunion eine internationale Gerichtsverhandlung voran, um nationalsozialistische Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Doch die Nürnberger Prozesse verliefen nicht nach Stalins Plan. Statt einer schnellen, inszenierten Verurteilung entwickelten sie sich zu einem langwierigen juristischen Verfahren mit echten Verteidigungsargumenten.

Die Beteiligung der UdSSR war von Widersprüchen geprägt. Zwar trug sie zur Verurteilung der NS-Führung bei, unterdrückte gleichzeitig aber zentrale historische Wahrheiten und setzte ihre eigene repressive Innenpolitik fort.

Stalin hatte sich die Nürnberger Prozesse ursprünglich als rasches, durchchoreografiertes Spektakel vorgestellt. Doch die Realität sah anders aus: Die Verhandlungen zogen sich in die Länge und ermöglichten echte juristische Debatten sowie eine wirksame Verteidigung. Die sowjetische Delegation unter der Führung von Andrei Wyschinski – einer Schlüsselfigur in Stalins Massenverfolgungen – sah sich unerwarteten Herausforderungen gegenüber, die Kontrolle über die Erzählweise zu behalten.

Der Kreml setzte enge Grenzen dafür, was thematisiert werden durfte. Themen wie der Hitler-Stalin-Pakt oder das Massaker von Katyn waren tabu. Als sowjetische Ankläger versuchten, die Verantwortung für die Erschießungen von Katyn den Deutschen zuzuschieben, wies das Tribunal ihre Behauptungen zurück und ließ sie im Endurteil unberücksichtigt. Gleichzeitig hatte Roman Rudenko, der leitende sowjetische Jurist in Nürnberg, in den 1930er-Jahren eine zentrale Rolle bei den Säuberungen gespielt.

In der Sowjetunion selbst blieb die Informationskontrolle strikt. Dokumente zum Holocaust wurden unter Verschluss gehalten, und der staatlich geförderte Antisemitismus tilgte das öffentliche Gedächtnis an den Völkermord an den Juden. Sowjetbürger, die unter der NS-Besatzung gelitten hatten, wurden nach ihrer Rückkehr oft als "Verräter" gebrandmarkt. Der Zugang zu den vollständigen Nürnberger Prozessakten blieb eingeschränkt – die meisten Menschen erhielten nie ein vollständiges Bild der Verhandlungen.

Trotz der sowjetischen Rolle bei der Verurteilung der NS-Verbrechen blieb das eigene totalitäre System unverändert. Die Widersprüche der Zeit – zwischen Gerechtigkeit im Ausland und Repression im Inland – wurden nie aufgearbeitet.

Die Nürnberger Prozesse deckten die NS-Greueltaten auf, zeigten aber auch den selektiven Umgang der Sowjetunion mit Gerechtigkeit. Jahrzehnte später hat Russland bis heute keine Abrechnung mit den eigenen Staatsverbrechen vollzogen. Die Frage, ob das Land einen eigenen Nürnberger Prozess braucht, bleibt unbeantwortet.

Jahrzehntelang blieb die volle Wahrheit über die Rolle der UdSSR in den Prozessen – und über die eigenen historischen Verbrechen – hinter verschlossenen Archiven und staatlicher Zensur verborgen.